Heute beginnt der Kampf ums Bundesbudget – es geht um Schafe, Wein und Synagogen
Sie sei eine Sparfüchsin, sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter über sich, als sie Anfang Jahr das Finanzdepartement übernahm. Diese Eigenschaft kommt ihr nun bei einer schwierigen Aufgabe zugute. Die Kassen des Bundes sind klamm. Keller-Sutter muss das Ausgabenwachstum drosseln. Nur: Geld ausgeben fällt der Politik deutlich einfacher als sparen.
In den nächsten Jahren droht deshalb ein harter Verteilkampf. Einen ersten Vorgeschmack bieten die Beratungen über das Budget 2024, die der Ständerat heute Dienstag in der Wintersession beginnt. Wir liefern die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wo möchte der Bundesrat den Rotstift ansetzen?
Um ein ausgeglichenes Budget zu präsentieren, hat der Bundesrat die Ausgaben für 2024 um fast 2 Milliarden Franken gestutzt. Betroffen ist etwa das Militär. Die Armeeausgaben wachsen zwar um 3 Prozent. Aber das ist weniger als vom Parlament gewünscht und ursprünglich vorgesehen.
Lineare Kürzungen von 2 Prozent sieht der Bundesrat etwa bei Ausgaben in Bereichen wie Bildung, internationale Zusammenarbeit oder Landwirtschaft vor. Alles Bereiche, in denen er kurzfristig an den Kosten schrauben kann, weshalb sie auch schwach gebundene Ausgaben genannt werden.
Sparen ja, aber nicht überall
Obwohl wenig finanzpolitischer Spielraum besteht, möchten die Finanzkommissionen die Landwirtschaft von den Sparanstrengungen ausnehmen. Die Bauern hätten bereits zur Sanierung der Bundesfinanzen beigetragen, argumentieren die vorberatenden Kommissionen. Auch sei das Agrarbudget nicht im selben Masse erhöht worden wie jenes der anderen Ausgabenbereiche.
Das grösste Herz für die Landwirtschaft zeigt dabei die Finanzkommission des Nationalrates. Sie möchte die Mittel um fast 70 Millionen Franken aufstocken. Der Grossteil der Mehrausgaben entfällt auf Direktzahlungen. Weitere Gelder sind für die Absatzförderung von Schweizer Weinen, den Herdenschutz oder den Erhalt einheimischer Tierrassen gedacht.
Etwas weniger grosszügig ist die ständerätliche Schwesterkommission. Dies, weil sie es ablehnt, die Direktzahlungen für nächstes Jahr auf dem heutigen Niveau zu belassen. Sie spricht sich für die Hälfte des Betrages, also 27,4 Millionen Franken, aus. Dafür möchte sie die Zuckerrübenproduktion mit zusätzlich 2 Millionen subventionieren.
Wer vergeblich auf mehr Geld hoffte
Dagegen sind andere mächtige Lobbys mit ihren Begehren aufgelaufen. Beide Kommissionen lehnen es ab, dem ETH-Bereich zusätzlich 25 Millionen Franken zukommen zu lassen. Ein Nachsehen hat auch der regionale Personenverkehr, bei dem die Kommissionen sich gegen eine Aufstockung um 55 Millionen Franken stellen.
Nicht aufstocken möchte die nationalrätliche Finanzkommission auch die Bundesmittel zum Schutz jüdischer Einrichtungen. Weil das jährliche Budget von heute 2,5 Millionen Franken bei weitem nicht ausreicht, wollte eine Minderheit den Beitrag im nächsten Jahr verdoppeln.
Leidtragende sind auch Organisationen im Kindesschutz. Die Kommission lehnt es ab, den Kredit in diesem Bereich von 2 auf 3 Millionen Franken zu erhöhen. Die Kommission lasse damit «psychisch belastete Kinder und Jugendliche im Regen stehen», kritisiert Pro Juventute. Die Organisation erhält aus diesem Topf Gelder, um die Notrufnummer 147 zu betreiben.
Wo setzt die Politik den Rotstift an?
Die Mehrausgaben bei der Landwirtschaft müssen irgendwo kompensiert werden. Die nationalrätliche Kommission möchte die Sozialhilfebeiträge von Asylsuchenden um 30 Millionen Franken senken, die der Bund den Kantonen entrichtet. Weil die Beiträge an die Flüchtlingszahlen gekoppelt sind, ist nicht ganz ersichtlich, wie hier gespart werden soll.
Einig sind sich die Kommissionen, dass der Bund nächstes Jahr kein Geld für die Regionalentwicklung spricht. Der Beitrag von 25 Millionen Franken für den Fonds für Regionalpolitik soll gestrichen werden. Das ist insofern bemerkenswert, als die ländlichen Tourismusgebiete in der Regel gut lobbyieren und ihre Wünsche erfüllt werden.
Die richtigen Verteilkämpfe stehen erst bevor
Das Budget 2024 ist nur ein Vorgeschmack für weitere Sparübungen – aus einfachem Grund: Die gebundenen Ausgaben wachsen aufgrund der Demografie rasant. So steigen alleine die jährlichen AHV-Ausgaben bis 2035 von heute 10 Milliarden auf 16 Milliarden Franken.
In den nächsten Jahren dürften deshalb die Armeeausgaben in den Fokus rücken. Das Parlament möchte das jährliche Budget von 5,5 Milliarden auf 9,5 Milliarden Franken ausbauen. Wie die NZZ gestern berichtete, sollen dafür Rüstungsinvestitionen in der Höhe von 32 Milliarden Franken notwendig sein. Gut möglich, dass Viola Amherd dereinst ein Satz um die Ohren fliegen wird. Noch im Mai 2022 hatte die Verteidigungsministerin versichert: «Niemand muss unter den zusätzlichen Armeeausgaben leiden.»
Doch Ende November machte die Finanzverwaltung deutlich, dass sich solche Summen nicht herbeizaubern lassen. Wegen der erwarteten Defizite in Milliardenhöhe ab 2025 schliesst der Bund auch «einnahmeseitige Massnahmen» nicht aus. Das Parlament könnte dann vor der Frage stehen: Steuererhöhungen für mehr finanzielle Mittel bei der Armee?